Schlank, Einfach, Wertorientiert – so sollen Entwicklungsmethoden heute sein. Doch was bedeutet das genau (in der Umsetzung)?
Zur Beantwortung dieser Frage können meine Ausarbeitungen zu Agile und → Lean helfen.
Der unterschiedliche Fokus von Agile und Lean ist in der nachfolgenden Grafik (nach Canditt und Braun: Lean → Scrum. Der Nutzen von Lean Thinking für die agile Produktentwicklung, Objektspektrum 01/2011) dargestellt. Während Agile stark auf den Produktionsprozess fokussiert, betrachtet Lean eher übergeordnete Zusammenhänge (Abbildung 1).
Abbildung 1: Fokus von Agile und Lean
1. Zur Agilität
Agilität bezeichnet die Eigenschaft, bestimmte Dinge besonders “flink” oder “beweglich” zu erledigen. In der → Softwareentwicklung wird darunter eine Reihe von Methoden und Praktiken verstanden, die es erlauben im Vergleich zu klassischen Ansätzen mit weniger formalen und “bürokratischen” Ansätzen auszukommen. Die agilen Methoden haben sich im → Projektmanagement in den letzten Jahren neben den klassischen Methoden etabliert, sodass man als → Projektmanager oder auch ‑mitarbeiter die grundlegenden Ansätze kennen sollte.
1.1 Das Agile Manifest
Das “Agile Manifest” (engl. “agile manifesto”) entstand im Februar 2001 bei einem dreitägigen Treffen (in den USA) von 17 Experten zur agilen Softwareentwicklung. Zu diesem → Zeitpunkt gab es bereits einige agile Methoden und Ansätze, jedoch keine übergeordnete gemeinsame Klammer – hierzu wurde das Agile Manifest formuliert. Es wurden vier präferierte Werte und 12 Prinzipien festgelegt. Das Manifest ist einfach formuliert und bildet das Fundament zur agilen Softwareentwicklung.
Alle agilen Methoden berufen sich auf das Agile Manifest.
1.2 Agile Basisbegriffe
Die Begriffe Methoden, Praktiken, Prinzipien und Werte werden in diesem Beitrag und auch allgemein in der Literatur folgendermaßen verwendet (Abbildung 2):
Abbildung 2: Agile Basisbegriffe
Der Pfeil kann jeweils als “verwendet” oder “basiert auf” interpretiert werden.
1.3 Agile Themenfelder
Inzwischen werden zur Agilität in der Software- oder Produktentwicklung eine Reihe von Teilbereichen und Teilgebieten gezählt. Diese sind in der nachfolgenden Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung 3: Agile Themenfelder
1.4 Bekannte agile Methoden
Die bekanntesten agilen Methoden sind:
- Scrum
- eXtreme Programming XP
- Crystal
- DSDM
- → Feature Driven Development FDD
- → Kanban (siehe eigenen Bereich)
- (Rational) Unified Process UP
- …
1.5 Wesentliche Unterschiede zu klassischen PM-Ansätzen
Beim klassischen PM wird der zunächst der Umfang (Scope) beschrieben, dann die Kosten ermittelt und anschließend der Zeitaufwand geschätzt. Sollten die Größen im Laufe der Projekt-Bearbeitung nicht plangemäß eingehalten werden können, so wird meistens an dem Zeitbedarf nachgebessert – die Projekte verzögern sich.
Bei agilen Ansätzen hingegen werden Zeitpunkte zur Auslieferung fest definiert und unbedingt eingehalten. Sollte sich unerwartete Ereignisse ergeben, so werden in erster Linie am Umfang nachgebessert.
Nachfolgende Grafik verdeutlicht diesen Sachverhalt (Abbildung 4).
Abbildung 4: Feste und variable Größen im klassischen PM und bei agilen Ansätzen
2. Zum Lean Management
Unter → Lean Management werden alle Prinzipien, Werte sowie Methoden und Werkzeuge verstanden, die zur Optimierung der wertschöpfenden Prozesse in Organisationen und Unternehmen dienen. Dabei wird gezielt versucht, Verschwendungen zu minimieren und Überflüssiges auszuschließen. Nur das, was der → Kunde benötigt, hat beim Lean Management eine Bedeutung.
2.1 Lean Management Grundlagen
Lean Management folgt fünf Prinzipien (“Principles”), die zu beachten sind (nach Womack und Jones /Womack13/):
- Den Wert aus Sicht des Kunden definieren (“Value”)
- Den Wertstrom identifizieren (“Value Stream”)
- Das Fluss-→ Prinzip umsetzen (“Flow”)
- Das → Pull-Prinzip einführen (“Pull”)
- Perfektion anstreben (“Perfection”)
Im Lean Management werden (nach Ohno /Ohno13/) sieben Arten der Verschwendung benannt:
- Materialbewegungen (“Transportation”)
- Bestände (“Inventory”)
- Bewegungen (“Motion”)
- Wartezeiten (“Waiting”)
- Verarbeitung (“Over-Processing”)
- Überproduktion (“Over-Production”)
- Korrekturen und → Fehler (“Defects”)
Um sich die sieben Arten zu merken, kann das Akronym TIMWOOD verwendet werden, welches die ersten Buchstaben der englischen Begriffe verwendet.
2.2 Anmerkungen
Der Begriff “Lean Management” wird bevorzugt im deutschen Sprachraum verwendet. Entsprechend findet sich für “Lean Management” in der englischen Wikipedia kein Eintrag; dort finden sich stattdessen die Begriffe “Lean Enterprise” oder “Lean Manufacturing”.
Das Prefix “Lean” wird inzwischen recht inflationär in verschiedenen Zusammenhängen verwendet. Folgende Begriffe finden sich:
- Lean Accounting
- Lean Administration
- Lean Change
- Lean Coffee
- Lean Development
- Lean Enterprise
- Lean Logistics
- Lean Management
- Lean Manufacturing
- Lean Office
- Lean Organization
- Lean Production
- Lean Reporting
- Lean Six Sigma
- Lean Software Development
- Lean Startup
- Lean Thinking
2.3 Bücher zum Lean Management
- /Goldratt13/ Eliyahu M. Goldratt: Das Ziel. Ein Roman über Prozessoptimierung, Campus, Frankfurt 5. Auflage 2013, ISBN 978–3‑593–39853‑2
- /Ohno13/ Taiichi Ohno: Das Toyota-Produktionssystem, Campus, Frankfurt 3. Auflage 2013, ISBN 978–3‑593–39929‑4
- /Womack13/ James P. Womack, Daniel T. Jones: Lean Thinking: Ballast abwerfen, Unternehmensgewinn steigern, Campus, Frankfurt 3. Auflage 2013, ISBN 978–3‑593–39843‑3
3. Zur Arbeit 4.0
Der Begriff Arbeit 4.0 ist nicht eindeutig definiert: Es werden darunter eine Reihe von Ansätzen und Aktivitäten verstanden, die sich mit den Organisationsformen befassen.
3.1 Bücher zur Arbeit 4.0
- /Appelo11/ Jurgen Appelo: Management 3.0: Leading Agile Developers, Developing Agile Leaders, Addison-Wesley Professional, Old Tappan, New Jersey 2011, ISBN 978–0‑321–71247‑9
- /Arnold16/ Hermann Arnold: Wir sind Chef. Wie eine unsichtbare → Revolution Unternehmen verändert, Haufe-Lexware, München 2016, ISBN 978–3‑648–08205‑8
- /Brandes14/ Ulf Brandes, Pascal Gemmer, Holger Koschek, Lydia Schültken: Management Y: Agile, Scrum, → Design Thinking & Co.: So gelingt der Wandel zur attraktiven und zukunftsfähigen Organisation, Campus, Frankfurt 2014, ISBN 978–3‑593–50158‑1
- /Clark12a/ Timothy Clark, Alexander Osterwalder, Yves Pigneur: → Business Model You: A One-Page Method For Reinventing Your Career, John Wiley & Sons, Hoboken, New Jersey, 2012, ISBN 978–1‑118–15631‑5
- /Clark12b/ Timothy Clark, Alexander Osterwalder, Yves Pigneur: Business Model You: Dein Leben – Deine Karriere – Dein Spiel, Campus Frankfurt, 2012, ISBN 978–3‑593–39725‑2
- /Denning10/ Stephen Denning: The Leader’s Guide to Radical Management: Reinventing the Workplace for the 21st Century, John Wiley & Sons, Hoboken, New Jersey 2010, ISBN 978–0‑470–55486‑4
- /Foegen15/ Organisation in einer Digitalen Zeit: Ein Buch für die Gestaltung von reaktionsfähigen und schlanken Organisationen mit Hilfe von skalierten Agile & Lean Mustern, wibas, Darmstadt, 3. Auflage 2016, ISBN 978–3‑9815837–8‑6
- /Hamel07/ Gary Hamel: The Future of Management, Harvard Business → Review Press, Boston, Massachusetts 2007, ISBN 978–1‑422–10250‑3
- /Hamel08/ Gary Hamel: Das Ende des Managements: Unternehmensführung im 21. Jahrhundert, Econ, Berlin 2008, ISBN 978–3‑430–20046‑2
- /Laloux15/ Frederic Laloux: Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, Vahlen, München 2015, ISBN 978–3‑8006–4913‑6
- Laloux16/ Frederic Laloux: Reinventing Organizations visuell. Ein illustrierter Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, Vahlen, München 2016, ISBN 978–3‑8006–5285‑3
- /Nowotny17/ Valentin Nowotny: Agile Unternehmen – fokussiert, schnell, flexibel: Nur was sich bewegt, kann sich verbessern, BusinessVillage, Göttingen 2. Auflage 2017, ISBN 978–3‑86980–330‑2
- /Oestereich16/ Bernd Oestereich, Claudia Schröder: Das kollegial geführte Unternehmen: Ideen und Praktiken für die agile Organisation von morgen, Vahlen, München 2016, ISBN 978–3‑8006–5229‑7
- /Osterwalder10/ Alexander Osterwalder, Yves Peigner: Business Model Generation: A Handbook for Visionaries, Game Changers, and Challengers, John Wiley & Sons, Hoboken, New Jersey 2010, ISBN 978–0‑470–87641‑1
- /Osterwalder11/ Alexander Osterwalder, Yves Peigner: Business Model Generation: Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer, Campus, Frankfurt 2011, ISBN 978–3‑593–39474‑9
- /Pfläging14/ Nils Pfläging: Organisation für → Komplexität. Wie Arbeit wieder lebendig wird – und Höchstleistung entsteht, Redline München, 2014, ISBN 978–3‑86881–570‑2
- /Pfläging15/ Nils Pfläging, Silke Hermann: Komplexithoden. Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität, Redline München, 2015, ISBN 978–3‑86881–586‑3
- /Robertson16/ Brian J. Robertson: Holacracy: Ein revolutionäres Management-System für eine volatile Welt, Vahlen, München 2016, ISBN 978–3‑8006–5087‑3
- /Sattelberger15/ Thomas Sattelberger, Isabell Welpe, Andreas Boes: Das demokratische Unternehmen: Neue Arbeits- und Führungskulturen im Zeitalter digitaler Wirtschaft, Haufe-Lexware, München 2015, ISBN 978–3‑648–07434‑3
- /Scheller17/ Torsten Scheller: Auf dem Weg zur agilen Organisation. Wie Sie Ihr Unternehmen dynamischer, flexibler und leistungsfähiger gestalten, Vahlen, München 2017, ISBN 978–3‑8006–5271‑6
Letzte Aktualisierung: 12.04.2017 © Peterjohann Consulting, 2005–2024