Management-Zusammenfassung dieses Beitrags:
In der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (engl. Economic Efficiency Analysis) wird zu einem sehr frühen → Zeitpunkt untersucht, ob ein Projektvorhaben generell wirtschaftlich sein kann. Hierbei wird insbesondere die finanzielle Machbarkeit überprüft.
In diesem Beitrag wird die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung beschrieben.
Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (auch: Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, Wirtschaftlichkeitsrechnung oder Wirtschaftlichkeitsanalyse) ist ein Instrument zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit in einem Projekt. Sie sollte vor dem eigentlichen → Projektstart erfolgen, um so festzustellen, ob ein Projektvorhaben generell finanziell durchführbar ist. Wenn die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ergibt, dass das wirtschaftliche → Projektziel nicht erreichbar ist, so sollte das → Vorhaben nicht weiter fortgeführt werden. Damit müssen für das Projektvorhaben nur die bereits angefallenen Kosten entrichtet werden, es entstehen keine weiteren finanziellen → Aufwände.
1. Einleitung und Grundlagen
Projekte sollen wirtschaftlich sein, d.h. Gewinne für das durchführende Unternehmen bringen. Daher ist es notwendig, vorab entsprechende Untersuchungen, Berechnungen und Betrachtungen durchzuführen. Diese Betrachtungen sollten bestimmte Eigenschaften haben – Sie sollten …
- nachvollziehbar und überprüfbar sein,
- von allen Beteiligten als relevant anerkannt werden,
- im Projektverlauf überprüft und ggf. korrigiert werden können und
- auch zur → Projektabnahme herangezogen werden (können).
In der Praxis finden sich einige Verfahren, die ein Projekt aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Hierüber werden Bewertungen vorgenommen, die es ermöglichen, den potenziellen Gewinn (als Differenz von Kosten und Erlösen) von Einzelprojekten zu berechnen und Projekte zu vergleichen.
Einige dieser Verfahren/Methoden werden in dieser Ausarbeitung vorgestellt.
Abbildung 0.1: Zeitpunkte der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für Projekte
In diesem Beitrag wird in erster Linie die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in der → Vorprojektphase beschrieben (Abbildung 0.2), deren Ergebnisse in die Wirtschaftlichkeitsstudie einfließen können. Diese ist nicht immer von der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung während der Projektauswahl zu trennen, da Projektalternativen auch den gleichen Projektgegenstand haben können.
Abbildung 0.2: Zeitpunkte der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für Projekte: Fokus dieses Beitrags
1.1 Definitionen
Die DIN 69001–1:2009–01 /DIN09/ verwendet als zentralen Begriff zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die “Projektkalkulation” und definiert sie folgendermaßen:
„Projektkalkulation (engl. Project Calculation): Ermittlung der kostenwirksamen Projektleistungen und ihre Bewertung. Die Projektkalkulation wird am Anfang erstmalig erstellt und dann in regelmäßigen Abständen kontrolliert und gegebenenfalls angepasst. Am Ende eines Projekts wird eine Nachkalkulation erstellt, um den finanziellen Erfolg des Projekts bewerten zu können und eine Kalkulationsgrundlage für zukünftige Projekte zu erhalten.”
Der in der Wikipedia definierte Begriff Wirtschaftlichkeitsbetrachtung /#Wiki-Wirtschaftlichkeitsbetrachtung/ beschreibt “ein Verfahren zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen (primär IT-Investitionen) innerhalb der deutschen Bundesverwaltung” und ist in dem in diesem Beitrag betrachteten Projektkontext nicht anwendbar.
Das → PMI /PBG21‑d/ benennt den Begriff “wirtschaftliche Machbarkeit”, gibt aber dazu keine weitergehenden Informationen oder Erläuterungen.
Die → GPM /GPM19/ beschreibt die Wirtschaftlichkeitsrechnung, die mit der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung gleichgesetzt werden kann.
1.2 Zeitliche Einordnung
In Abbildung 1.1 ist die zeitliche Einordnung der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in der Vorprojektphase eines Projekts dargestellt.
Abbildung 1.1: Die zeitliche Einordnung der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Häufig werden die → Machbarkeitsbetrachtung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zusammen durchgeführt, als Ergebnis entsteht die “Gesamtmachbarkeitssstudie”, die auch als → Business Case bezeichnet wird.
1.3 Vorgehen und Strukturierung
Sowohl das Vorgehen bei der Betrachtung als auch die Struktur der Wirtschaftlichkeitsstudie werden im → Projektmanagement nicht vorgegeben.
1.4 Bestandteile der Wirtschaftlichkeit
Das Thema Wirtschaftlichkeit in Projekten hat zwei Bestandteile, die betrachtet werden müssen (Abbildung 1.2):
- Das richtige Projekt bestimmen: Welche Kategorien der Wirtschaftlichkeit gibt es und welche müssen in der Wirtschaftlichkeitsstudie enthalten sein?
- Das richtige Projektvorgehen ermitteln: Wie führt man eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durch und welche Struktur soll eine Wirtschaftlichkeitsstudie haben?
Abbildung 1.2: Wirtschaftlichkeit: Bestandteile
2. Wirtschaftlichkeitsverfahren
Die Wirtschaftlichkeitsverfahren zur Bestimmung des wirtschaftlichen Nutzens von Projekten sind fast durchweg aus der Betriebswirtschaftslehre (dort aus der Investitionsrechnung und dem Controlling) abgeleitet – es gibt daher kaum spezifische, nur für das Projektmanagement gültige Verfahren.
In der Praxis gelangen einige Verfahren sehr häufig zum Einsatz. Diese werden hier vorgestellt.
Für die Verfahren werden im Allgemeinen die …
- Kosten
- Erlöse
- → Dauer
des (zukünftigen) Projekts benötigt. Ohne diese Angaben können keine Vergleichsrechnungen durchgeführt werden.
Generell können die Wirtschaftlichkeitsverfahren in statische und dynamische Verfahren unterteilt werden, die wiederum Unterkategorien haben (Abbildung 2.1).
Abbildung 2.1: Wirtschaftlichkeitsverfahren (Übersicht)
Alle 6 Unterkategorien müssen vom → Projektcontrolling betrachtet werden, der → Projektmanager muss sie kennen und verstehen.
2.1 Die Kostenvergleichsrechnung
Bei der reinen Kostenvergleichsrechnung werden nur die Kosten der einzelnen Projekte oder Projektalternativen gegenübergestellt. Ausgewählt wird dann das Projekt mit den geringsten Kosten.
Beispiel:
Die Projekte A und B weisen folgende Kostenstruktur auf:
Abbildung 2.2: Die Kostenvergleichsrechnung
Projekt B ist dem Projekt A vorziehen, da es geringere Kosten aufweist.
Die reine Kostenvergleichsrechnung ist im Normalfall nicht ausreichend, um eine Projektauswahl vorzunehmen, da der mögliche Gewinn nicht in die Betrachtung einfließt. Wenn jedoch aus Projektalternativen die beste ausgewählt werden muss (beispielsweise aufgrund von Management- oder Gesetzesvorgaben) und die einzelnen Projektalternativen das gleiche Ergebnis (Gewinn) liefern, so kann die Kostenvergleichsrechnung zur Auswahl verwendet werden.
2.2 Die Gewinnvergleichsrechnung
Bei der Gewinnvergleichsrechnung werden die Kosten der einzelnen Projekte den Erlösen gegenübergestellt. Ausgewählt werden dann die Projekte mit dem höchsten Gewinn.
In Abbildung 2.3 sind beispielhaft Projektalternativen gegenübergestellt, von denen die gewinnträchtigste ausgewählt werden soll. Die Projektalternative C würde ausgewählt werden, da sie den höchsten Gewinn verspricht.
Abbildung 2.3: Die Gewinnvergleichsrechnung
2.3 Die Rentabilitätsrechnung
Um herauszufinden, ob ein Projekt überhaupt sinnvoll ist, kann die Rentabilität (des eingesetzten Kapitals, d.h. der → Projektkosten; engl. ROI, Return on Investment) ermittelt werden.
Die Berechnungsformel lautet:
Rentabilität = Gewinn x 100 / Kapital
Werden beispielsweise 100 € für ein Projekt eingesetzt (= Kapital oder Kosten) und man erlöst 105 €, so ergibt sich ein Gewinn (= Erlöse – Kosten) von 5 € und damit eine Rentabilität von 5 %. In der Praxis werden (je nach Branche stark schwankend) zwischen 5 und 15 % Rentabilität auf das eingesetzte Kapital gefordert.
Abbildung 2.4: Die Rentabilitätsrechnung
2.4 Die Amortisationsrechnung
Zur Ermittlung, wie lange es dauert, um das eingesetzte Kapital in einem Projekt wieder rückzugewinnen, wird die Amortisationsdauer (engl. PBP, Pay Back Period) über in die Amortisationsrechnung ermittelt.
Die Berechnungsformel lautet:
𝐴𝑚𝑜𝑟𝑡𝑖𝑠𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛𝑠𝑑𝑎𝑢𝑒𝑟 = 𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙𝑒𝑖𝑛𝑠𝑎𝑡𝑧 / ((𝑑𝑢𝑟𝑐ℎ𝑠𝑐ℎ𝑛𝑖𝑡𝑡𝑙𝑖𝑐ℎ𝑒) 𝐸𝑖𝑛𝑛𝑎ℎ𝑚𝑒ü𝑏𝑒𝑟𝑠𝑐ℎü𝑠𝑠𝑒 𝑝𝑟𝑜 𝐽𝑎ℎ𝑟)
Beträgt beispielsweise der Kapitaleinsatz 100 €, und man erlöst 5 € pro Monat (zusätzlich), so beträgt die Amortisationsdauer 20 Monate. Eine Beispielrechnung für zwei Projektalternativen ist in Abbildung 2.5 dargestellt.
Abbildung 2.5: Die Amortisationsrechnung
3. Weitere Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Neben den in diesem Beitrag vorgestellten Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in Projekten gibt einige weitere. Hier ist insbesondere die Projekt Scorecard zu nennen, die sich aus der Balanced Scorecard ableiten lässt.
4. Folgen aus der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Generell entsteht aus der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung eine Wirtschaftlichkeitsstudie, die häufig eine → Ampeldarstellung enthält. Ist die Ampel grün, so kann der nächste Teilschritt vollzogen werden, ist sie rot, so muss das Projekt abgebrochen / beendet werden. Bei einer gelben Ampel muss an einigen Stellen nachgeprüft oder nachgebessert werden. Die Abfragen zur Ampeldarstellung sollten identisch mit denen sein, die vor Projektstart im Quality Gate / Quality Assessment abgefragt werden.
Auf Basis der Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung kann eine erste → Schätzung der Projektgröße (“Rough Estimation”) vorgenommen werden, wobei in der Regel Abweichungen von ‑25 bis +75 Prozent erlaubt sind. Ebenso kann nach der → Machbarkeitsstudie das → Beschaffungsmanagement beginnen und eine Informationsanfrage (RFI — Request for Information) starten, die das Ziel hat, die Machbarkeit bei potenziellen Lieferanten abzufragen.
Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, die in der Wirtschaftlichkeitsstudie zusammengefasst sind, bleiben für sich stehen: Es gibt nach dem Projektstart keine Aktualisierung oder erneute Überprüfung. Allerdings fließen alle relevanten Ergebnisse der Studie über die Kostenrechnung und das Kostencontrolling in den Projektablauf ein. Zum → Projektabschluss wird die Wirtschaftlichkeitsstudie herangezogen, um eine abschließende Kostenvergleichsrechnung durchzuführen.
5. Häufig gestellte Fragen und Antworten (FAQ) zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Einige Fragen zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung werden häufig gestellt – diese werden hier wiedergegeben und beantwortet.
- F: Wann muss die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in Projekten durchgeführt werden?
A: Immer vor dem eigentlichen Projekt, in der Vorprojektphase, nach Möglichkeit als zweite Untersuchung nach der (technischen) Machbarkeit. Aus der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung kann ein Abbruch des Projektvorhabens resultieren. - F: Muss die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung immer durchgeführt werden?
A: Nein. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist aber immer dann hilfreich, wenn es bei den weiteren Planungsschritten oder im Projektverlauf darum geht, Alternativen zum ursprünglich gedachten Vorgehen zu finden. - F: Muss ein schriftliches Dokument — die Wirtschaftlichkeitsstudie — zum Abschluss der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erstellt werden?
A: Ja, denn ansonsten verfehlt die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ihre Wirkung. - F: Muss die Wirtschaftlichkeitsstudie regelmäßig aktualisiert werden?
A: Nein, zumindest nicht direkt. Da die Ergebnisse, die in der Wirtschaftlichkeitsstudie festgehalten werden, auch in weitere Betrachtungen und Analysen einfließen, sollten dort dann Aktualisierungen erfolgen.
Haben Sie noch weitere Fragen oder möchten Sie Ergänzungen an der FAQ vornehmen? Am besten schreiben Sie mir hierzu eine E‑Mail an: kontakt@peterjohann-consulting.de.
A. Präsentationen, Literatur und Weblinks
A.1 Meine öffentliche Präsentation zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Inhalt | Typ |
---|---|
Projektmanagement: Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für Projekte – Eine Übersicht |
A.2 Literatur
Hier sind einige Bücher aufgeführt, die in diesem Beitrag zitiert werden oder die die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung etwas intensiver beleuchten.
- /DIN20/ DIN: Projektmanagement. Netzplantechnik und Projektmanagementsysteme. DIN-Taschenbuch 472, Beuth, Berlin 4. Auflage 2020, ISBN 978–3‑410–30000‑7
- /GPM19/ Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement: Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM4), GPM, Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, Nürnberg 2019, ISBN 978–3‑924841–77‑5
- /PBG21‑d/ Project Management Institute: A Guide to the Project Management Body of Knowledge (PMBOK Guide) und Der → Standard für das Projektmanagement, Project Management Institute, Philadelphia, Pennsylvania Siebte Ausgabe 2021, ISBN 978–1‑62825–695‑6
A.3 Weblinks
- /#Wiki-Wirtschaftlichkeitsbetrachtung/ Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in der deutschen Wikipedia
Legende zu den Weblinks
/ / Verweis auf eine Website (allgemein)
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/#/ Verweis auf ein einzelnes Thema auf einer Website
/#V/ Verweis auf ein Video auf einer Website
Letzte Aktualisierung: 22.02.2024 © Peterjohann Consulting, 2005–2024