Management-Zusammenfassung dieses Beitrags:
Das Dokumentieren (engl. Documenting) von Anforderungen ist eine der Haupttätigkeiten im → Requirements Engineering.
In diesem Beitrag wird das Dokumentieren mit seinen Prozessen, Werkzeugen und Methoden beschrieben.
In diesem Beitrag wird das Requirements Engineering in die Bereiche Anforderungsentwicklung (Requirements Development) und → Anforderungsverwaltung (→ Requirements Management) unterteilt, wobei diese wiederum in die vier Haupttätigkeiten (auch Hauptaktivitäten) …
- Ermitteln (Eliciting),
- Dokumentieren (Documenting),
- Validieren (Validating) und
- Verwalten (Managing)
untergliedert werden können (Abbildung 0.1). Im Fokus dieses Beitrags steht das Dokumentieren der Anforderungen.
Abbildung 0.1: Die Unterteilung des Requirements Engineerings — Fokus “Dokumentieren”
Die Prozesssicht auf das Dokumentieren von Anforderungen ist in Abbildung 0.2 dargestellt.
Abbildung 0.2: Prozesse im Requirements Engineerings nach → IREB — Fokus “Dokumentieren”
Achtung:
Dokumentieren ist nicht der Dokumentation gleichzusetzen: Das Dokumentieren beschreibt eine → Tätigkeit und die Dokumentation eine (schriftliche) Beschreibung der Anforderungen. Also ist die Anforderungsdokumentierung nicht der Anforderungsdokumentation gleichzusetzen.
1. Einleitung und Grundlagen
1.1 Definitionen
Das Dokumentieren von Anforderungen beschäftigt sich mit zwei Aspekten:
- Zum einen mit Einzelanforderungen
- Zum anderen mit dem Zusammenstellen von (Einzel-)Anforderungen in einem Dokument
Abbildung 1.1: Aspekte des Dokumentierens
1.2 Abgrenzung zum Dokumentieren von Code
Das Dokumentieren von Anforderungen ist zu unterscheiden von Dokumentieren von Code: Beim Dokumentieren von Anforderungen geht es darum, warum etwas gemacht werden muss, die Dokumentation von Source Code dient in erster Linie der Maintenance.
Abbildung 1.2: Das Dokumentieren von Anforderungen und Source Code — Unterschiede
2. Das Dokumentieren von Einzelanforderungen
Einzelanforderungen können entweder …
- natürlichsprachlich (oder auch natürlichsprachig),
- modellbasiert oder
- als Mischform beschrieben werden.
Abbildung 2.1: Die Dokumentationsformen (nach IREB /IREB21/)
In der Praxis werden alle Formen eingesetzt.
2.1 Die Satzschablone
→ Satzschablonen dienen der Erfassung von Einzelanforderungen: Durch Vorgaben einer formalen (syntaktischen) Struktur werden einzelne Anforderungen in vorgegebener Art und Weise in jeweils einem Satz beschrieben.
Bei Rupp /Rupp14/ wird die Satz- oder → Anforderungsschablone wie folgt definiert:
“Eine Anforderungsschablone ist ein Bauplan, der die Struktur eines einzelnen Anforderungssatzes festlegt.”
Abbildung 2.2: Die → Satzschablone
Wenn Satzschablonen konsequent und richtig eingesetzt werden, reduziert sich der Interpretationsspielraum erheblich — die Anforderungen werden eindeutiger. Allerdings wirken (Sammlungen von) Anforderungen auf Basis von Satzschablonen häufig sehr eintönig und damit langweilig lesbar.
2.2 Modellbasiertes Dokumentieren von Einzelanforderungen
Einzelne Anforderungen können modelliert werden — dies geschieht in der Regel, wenn die einzelne Anforderung → komplex ist und nicht einfach textuell beschrieben werden kann. Dabei kommen häufig Modelle zum Einsatz, die auf der → UML basieren.
2.3 Mischformen beim Dokumentieren von Einzelanforderungen
Häufig werden kommen sowohl textuelle als auch modellbasierte Teile bei der Dokumentation von Einzelanforderungen zum Einsatz.
3. Das Zusammenstellen von (Einzel-)Anforderungen in einem Dokument
Nach IREB kann das Ergebnis der Dokumentation eine Sammlung von Einzelanforderung sein, die als Anforderungsspezifikation bezeichnet werden kann. Im → Glossar wird dazu definiert /#IREB-Glossar-24/: “Anforderungsspezifikation: Requirements specification: A systematically represented collection of requirements, typically for a system, that satisfies given criteria.”
(Eigene Übersetzung: “Anforderungsspezifikation: Eine systematisch dargestellte Sammlung von Anforderungen, typischerweise für ein System, das bestimmte Kriterien erfüllt.”)
In der Anforderungsspezifikation somit werden die ermittelten Anforderungen in eine Form gebracht, die es erlaubt, sowohl mit den Kunden / Stakeholdern als auch mit den Entwicklern ein Gesamtbild des zu erstellenden Produkts zu generieren. Hierzu können Gliederungsvorlagen für Dokumente eingesetzt werden — in der Praxis werden (im deutschsprachigen Raum) häufig verwendet:
- Das Volere-Template von Suzanne und James Robertson /VOLERE/
- Die Struktur für Software Requirements Specification (SRS) nach IEEE 830‑1998
- Die Dokumentenstruktur nach dem → V‑Modell XT /V‑Modell-XT/
Im deutschsprachigen Raum werden Anforderungsdokumente häufig auch als → Lastenheft und → Pflichtenheft bezeichnet — Eine Beschreibung dieser Begriffe finden Sie in dem Beitrag “→ Lastenheft und Pflichtenheft”.
4. Zum Umfang und zur Qualität von Anforderungsdokumenten
Die Anforderungsdokumente können bei Umfang und → Qualität starke Unterschiede aufweisen. Innerhalb eines Requirements-Engineering-Vorhabens sollten daher vorab Betrachtungen vorgenommen werden, welchen Umfang und welche Qualität gewünscht oder gefordert wird. Wenn großer Umfang und hohe Qualität gefordert ist, so treibt das den → Aufwand und damit die Kosten hoch.
Zur schnellen Festlegung kann ein einfaches Schema eingesetzt werden (Abbildung 4.1). Wenn Anforderungsdokumente nur erstellt werden, weil dies vorgegeben ist, so können solche Alibi-Dokumente auch vom Umfangs- und Qualitätsseite her reduziert werden — “es liest ohnehin niemand”. Bei häufig genutzten Arbeits-Dokumenten kann das deutlich anders aussehen: Hier sollte dann eine Abschätzung für Umfang, Qualität und der damit verbundenen Kosten erfolgen.
Abbildung 4.1: Umfang und Qualität von Anforderungsdokumenten
Zudem können sich die Adressaten von Anforderungsdokumenten unterscheiden. Wenn technische Tiefe gefordert ist, weil beispielsweise Techniker dies später im Produktivumfeld als Nachschlagewerk benötigen, so sind meistens die → Aufwände zur Erstellung solcher Anforderungsdokumente hoch.
5. Häufig gestellte Fragen und Antworten (FAQ) zum Dokumentieren von Anforderungen
Einige Fragen zum Dokumentieren von Anforderungen werden häufig gestellt – diese werden hier wiedergegeben und beantwortet.
- F: Muss der → Requirements Engineer eine spezifische Ausbildung für das Dokumentieren haben?
A: Ja. Beim Dokumentieren von Anforderungen sollten Hilfsmittel wie Satzschablonen oder Modelle (typischerweise unter Verwendung der UML) zum Einsatz kommen. Diese müssen trainiert werden. - F: Wie groß ist typischerweise der Aufwand zum Dokumentieren von Anforderungen in einem → Vorhaben?
A: Als “grobe Richtschnur” kann etwa 20 bis 60 % des Gesamtaufwands für ein RE-Vorhaben für das Dokumentieren einkalkuliert werden. Häufig geht das Dokumentieren mit den Dokumentationsartefakten in das → Produktmanagement / in die Produktpflege über, sodass hier langfristiger Pflegeaufwand entsteht, der jedoch nicht mehr zum Ursprungs-RE-Vorhaben gehört.
Haben Sie noch weitere Fragen oder möchten Sie Ergänzungen an der FAQ vornehmen? Am besten schreiben Sie mir hierzu eine E‑Mail an: kontakt@peterjohann-consulting.de.
A. Präsentationen, Literatur und Weblinks
A.1 Meine öffentliche Präsentation zum Dokumentieren von Anforderungen
Das Dokumentieren von Anforderungen wird in der Präsentation zum Requirements Engineering beschrieben.
Inhalt | Typ |
---|---|
Requirements Engineering (und Business Analysis) – Eine Einführung (RE-Basispräsentation) |
A.2 Literatur
- /BBG15/ → IIBA: A Guide to the → Business Analysis Body of Knowledge (BABOK Guide), International Institute of Business Analysis, Marietta, Georgia 3rd Edition 2015, ISBN 978–1‑927584–02‑6
- /BBG17‑d/ IIBA: BABOK v3: Leitfaden zur Business-Analyse BABOK Guide 3.0, Dr. Götz Schmidt, Wettenberg 2017, ISBN 978–3‑945997–03‑1
- /Ebert19/ Christof Ebert: Systematisches Requirements Engineering. Anforderungen ermitteln, dokumentieren, analysieren und verwalten, dpunkt, Heidelberg 6. Auflage 2019, ISBN 978–3‑86490–562‑9
- /Ebert22/ Christof Ebert: Systematisches Requirements Engineering. Anforderungen ermitteln, dokumentieren, analysieren und verwalten, dpunkt, Heidelberg 7. Auflage 2022, ISBN 978–3‑86490–919‑1
- /Hruschka19/ Peter Hruschka: → Business Analysis und Requirements Engineering: Prozesse und Produkte nachhaltig verbessern, Hanser, München 2. Auflage 2019, ISBN 978–3‑446–45589‑4
- /Naumann18/ Axel-Bruno Naumann: Business-Analyse – Systematisches → Anforderungsmanagement für nutzerorientierte Lösungen, Dr. Götz Schmidt, Wettenberg 2018, ISBN 978–3‑945997–11‑6
- /IREB21/ siehe /Pohl21/
- /PMG-BA17/ Project Management Institute: The → PMI Guide to Business Analysis, Project Management Institute, Philadelphia, Pennsylvania 2017, ISBN 978–1‑62825–198‑2
- /Pohl21/ auch /IREB21/ Klaus Pohl, Chris Rupp: Basiswissen Requirements Engineering: Aus- und Weiterbildung nach IREB-→ Standard zum Certified Professional for Requirements Engineering Foundation Level, dpunkt, Heidelberg 5. Auflage 2021, ISBN 978–3‑86490–814‑9
- /Robertson12/ Suzanne Robertson, James Robertson: Mastering the Requirements Process, Addison-Wesley Professional, Boston, Massachusetts 3rd Edition 2012, ISBN 978–0‑321–81574‑3
- /Rupp14/ Chris Rupp: Requirements-Engineering und ‑Management. Aus der Praxis von klassisch bis agil, Hanser, München 6. Auflage 2014, ISBN 978–3‑446–43893‑4
- /Rupp20/ Chris Rupp: Requirements-Engineering und ‑Management. Das Handbuch für Anforderungen in jeder Situation, Hanser, München 7. Auflage 2020, ISBN 978–3‑446–45587‑0
- /Wiegers13/ Karl E. Wiegers, Joy Beatty: Software Requirements, Microsoft Press, Redmond, Washington 3rd Edition 2013, ISBN 978–0‑7356–7966‑5
A.3 Weblinks
- /IREB/ IREB – International Requirements Engineering Board: Website (deutsche Fassung)
- /#IREB-Glossar-24/ IREB – International Requirements Engineering Board: Glossar des IREB, Version 2.1.1 vom April 2024 (deutsch, englisch, pdf-Datei, 65 Seiten)
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Letzte Aktualisierung: 02.04.2022 © Peterjohann Consulting, 2005–2024