Die Klassifikation von Fehlern Fehler und Fehlerzustände einordnen

Manage­ment-Zusam­men­fas­sung die­ses Bei­trags:
→ Feh­ler kön­nen unter­schied­lich klas­si­fi­ziert wer­den, je nach Blick­win­kel erge­ben sich unter­schied­li­che Klas­sen und Kate­go­rien von Feh­lern.
In die­sem Bei­trag wer­den Feh­ler­klas­si­fi­ka­tio­nen vorgestellt.

1. Einleitung und Grundlagen

1.1 Definitionen

Das /→ ISTQB-→ Glos­sar/ ver­wen­det den Begriff “Feh­lerta­xo­no­mie” (Defect taxo­no­my) und damit bezeich­net “eine → Lis­te von Kate­go­rien, ent­wor­fen um → Feh­ler­zu­stän­de zu iden­ti­fi­zie­ren und klassifizieren”.

In der Wiki­pe­dia steht zur Feh­ler­klas­si­fi­zie­rung /#Wiki-Fehler/:
“Die Feh­ler­klas­si­fi­zie­rung ord­net Feh­ler nach unter­schied­li­chen Kri­te­ri­en in ver­schie­de­ne Klas­sen ein und gibt damit eine Rei­hen­fol­ge vor, wel­cher Feh­ler vor­ran­gig behan­delt wer­den muss.”

Anmer­kung:
In die­sem Bei­trag wird “Feh­ler” dem “→ Feh­ler­zu­stand” gleich­ge­setzt.

1.2 Ein Ansatz zur Fehlerklassifikation

Ein Ansatz zur Feh­ler­klas­si­fi­ka­ti­on ist in Abbil­dung 1.1 dar­ge­stellt — es Feh­ler klas­si­fi­ziert wer­den nach:

  • → Feh­ler­schwe­re: Wie sind die Aus­wir­kun­gen auf den Gebrauch des Produkts?
  • Ein­fach­heit der Ent­de­ckung: Wie ein­fach kann der Feh­ler ent­deckt werden?
  • Ent­de­ckungs­wahr­schein­lich­keit: Mit wel­cher Wahr­schein­lich­keit kann der Feh­ler ent­deckt werden?
  • → Zeit­punkt der Ent­de­ckung: Wann und wie früh­zei­tig kann der Feh­ler ent­deckt werden?
  • Feh­ler­be­he­bungs­auf­wand: Wie hoch sind die Kos­ten zur Behe­bung des Fehlers?
Mögliche Fehlerklassifikation, (C) Peterjohann Consulting, 2022-2025

Abbil­dung 1.1: Mög­li­che Fehlerklassifikation

1.3 Produkt‑, Prozess- und Verhaltensfehler

Gene­rell kön­nen Feh­ler auch in Produkt‑, Pro­zess- und Ver­hal­tens­feh­ler unter­teilt werden:

  • Pro­dukt­feh­ler bezeich­nen Feh­ler, die in einem Pro­dukt vor­han­den sind
  • Pro­zess­feh­ler beschrei­ben Feh­ler bei Vorgehen 
  • Ver­hal­tens­feh­ler bezie­hen sich auf ein (indi­vi­du­el­les) → Feh­ler­ver­hal­ten (Ach­tung: Nicht → Fehl­ver­hal­ten) von Per­so­nen oder Gruppen

Produkt‑, Pro­zess- und Ver­hal­tens­feh­ler hän­gen zusam­men und kön­nen nicht immer streng von­ein­an­der getrennt werden.

2. Die unterschiedlichen Fehlerklassifikationen

Die fünf Feh­ler­klas­si­fi­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten aus Unter­ka­pi­tel 1.2 wer­den in die­sem Kapi­tel etwas genau­er beschrieben.

2.1 Fehlerschwere

Das ISTQB defi­niert den Begriff → Feh­ler­schwe­re­grad wie folgt /IST­QB-Glos­s­ar/:
“Der Grad der Aus­wir­kun­gen, den ein Feh­ler­zu­stand auf Ent­wick­lung oder Betrieb einer Kom­po­nen­te oder eines Sys­tems hat.”

In Abbil­dung 2.1 ist eine vier­stu­fi­ge Ska­la zur Unter­schei­dung von Feh­ler­schwe­re­gra­den nach IEEE 1044 dar­ge­stellt. Dabei wird unter­teilt in:

  • Nicht beein­träch­tigt: Der Gebrauch / die Nut­zung des Sys­tems ist ohne → Ein­schrän­kung möglich
  • Beein­träch­tigt: Der Gebrauch / die Nut­zung des Sys­tems mit (gerin­gen) Ein­schrän­kung möglich 
  • Degra­diert: Der Gebrauch / die Nut­zung des Sys­tems mit star­ken Ein­schrän­kung möglich 
  • Unbrauch­bar: Der Gebrauch / die Nut­zung des Sys­tems ist nicht möglich 
Fehlerschweregrad nach IEEE 1044, (C) Peterjohann Consulting, 2024-2025

Abbil­dung 2.1: Feh­ler­schwe­re­grad nach IEEE 1044 /IEEE1044/

Bei­spie­le:

  • Wenn bei einer Maschi­ne im Betrieb ein fal­scher Wert ange­zeigt wird, der die Pro­duk­ti­on nicht beein­träch­tigt, so ist die Feh­ler­schwe­re gering
  • Wenn bei einer Maschi­ne im Betrieb auf­grund eines Feh­lers die Pro­duk­ti­on steht oder das Pro­duk­ti­ons­er­geb­nis man­gel­haft ist, so ist der Feh­ler­schwe­re­grad hoch

2.2 Einfachheit der Entdeckung

Eini­ge Feh­ler las­sen sich ein­fach ent­de­cken, ande­re nicht. Die Ein­fach­heit der Ent­de­ckung kann in der Regel nicht gut vor­ab bestimmt wer­den. Daher bedient man sich hier häu­fig Heu­ris­ti­ken, die ein Maß für die Ein­fach­heit der Ent­de­ckung lie­fern. Ist bei­spiels­wei­se bekannt, dass bei Kom­po­nen­ten zur Ansteue­rung von Screens / Bild­schir­men die Feh­ler ein­fach ent­deckt wer­den kön­nen, so kann dies gene­rell für ähn­li­che Kom­po­nen­ten ange­nom­men werden. 

2.3 Entdeckungswahrscheinlichkeit

Nicht alle Feh­ler wer­den über die Qua­li­täts­si­che­rungs­maß­nah­men direkt erkannt, es kön­nen Feh­lern Wahr­schein­lich­kei­ten der Ent­de­ckung zuge­ord­net wer­den. Wich­tig es es, in “kri­ti­schen Sys­te­men” die Feh­ler zu entdecken.

Die Ent­de­ckungs­wahr­schein­lich­keit hängt oft mit der Ein­fach­heit der Ent­de­ckung zusammen.

2.4 Zeitpunkt der Entdeckung

Gene­rell gilt: Je frü­her ein Feh­ler ent­deckt wird, umso bes­ser. Die Behe­bung eines früh ent­deck­ten Feh­lers ist kos­ten­güns­ti­ger, ins­be­son­de­re dann, wenn das feh­ler­haf­te Sys­tem / Pro­dukt bereits “aus­ge­rollt” ist. Zur Ver­deut­li­chung die­ses Sach­ver­halts kann die 10er Regel her­an­ge­zo­gen wer­den: Zwi­schen den ein­zel­nen Ent­wick­lungs­stu­fen erhö­hen sich die Kos­ten der Feh­ler­be­he­bung um den Fak­tor 10. Abbil­dung 2.2 zeigt die → 10er-Regel der Kos­ten­stei­ge­rung zur Behe­bung von Feh­lern bei einem Projekt.

Die 10er-Regel mit Projektphasen, (C) Peterjohann Consulting, 2022-2025

Abbil­dung 2.2: Die 10er-Regel mit → Pro­jekt­pha­sen

2.5 Fehlerbehebungsaufwand

Der Feh­ler­be­he­bungs­auf­wand — die Kos­ten der Feh­ler­be­he­bung — ist ein zen­tra­les Kri­te­ri­um zur Feh­ler­be­wer­tung. Es ist das Ziel, den → Auf­wand zur Behe­bung der Feh­ler mög­lichst gering zu hal­ten. Ist ein Feh­ler / Feh­ler­zu­stand auf­ge­tre­ten, so wird der Auf­wand zur Behe­bung durch den Feh­ler­ma­na­ger bestimmt.

3. Der Umgang mit der Fehlerklassifikation

Die Feh­ler­klas­si­fi­ka­ti­on greift nicht erst bei der Ent­de­ckung von Feh­lern, son­dern soll­te unbe­dingt vor­her, am bes­ten beim Ent­wurf des Sys­tems berück­sich­tigt wer­den. Wenn bei­spiels­wei­se ein kri­ti­sches Sys­tem ent­wi­ckelt wer­den soll, so muss früh­zei­tig geklärt wer­den, wel­cher Grad der Feh­ler­frei­heit ange­strebt wird. Wenn ein wei­test­ge­hend feh­ler­frei­es Sys­tem ent­ste­hen soll, so muss über­legt wer­den, wie …

  • hoch die Kos­ten der Feh­ler­ver­mei­dung sind.
  • ein­fach Feh­ler ent­deckt wer­den können.
  • die Ent­de­ckungs­wahr­schein­lich­keit ist.
  • der Zeit­punkt der Ent­de­ckung von Feh­lern “nach vor­ne” gescho­ben wer­den kann.

Daher muss bei sol­chen Sys­te­men die Feh­ler­ent­de­ckung und ‑behe­bung bereits beim Sys­tem­ent­wurf / bei der Sys­tem­de­fi­ni­ti­on berück­sich­tigt wer­den, es muss eine Archi­tek­tur gewählt wer­den, die ent­spre­chen­de Mecha­nis­men vor­sieht. Zudem müs­sen die Ent­wick­lungs- und Ser­vice­pro­zes­se pas­send kon­zi­piert werden.

Abbil­dung 3.1 zeigt zu den fünf Feh­ler­klas­si­fi­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten aus Kapi­tel 2 drei wei­te­re Merkmale:

  • Wann zu ermitteln?
  • Wer ist verantwortlich?
  • Durch­füh­rungs­auf­wand
Fehlerklassifikation mit Merkmalen, (C) Peterjohann Consulting, 2024-2025

Abbil­dung 3.1: Feh­ler­klas­si­fi­ka­ti­on mit Merkmalen

In der Regel sind die Feh­ler­schwe­re und der Feh­ler­auf­wand ein­fach zu ermit­teln und sind eine Reak­ti­on bei der Feh­ler­ent­de­ckung. Die Ein­fach­heit und der Zeit­punkt der Ent­de­ckung sowie die Ent­de­ckungs­wahr­schein­lich­keit kön­nen zwar im Nach­hin­ein für ein Pro­jekt / Sys­tem bestimmt wer­den, brin­gen aber dann nur ein­ge­schränk­ten Nutzen. 

4. Weitere Einteilungen von Fehlern

Feh­ler kön­nen je nach Betrach­tungs­wei­se auch in ande­re Kate­go­rien ein­ge­teilt wer­den. Hier sind bei­spiels­wei­se zu nennen:

  • Ent­deck­te und nicht-ent­deck­te Feh­ler: Ziel ist es, mög­lichst vie­le Feh­ler (früh­zei­tig) zu ent­de­cken, sodass die­se nicht beim Pro­dukt Aus­wir­kun­gen zeigen
  • Doku­men­tier­te und undo­ku­men­tier­te Feh­ler: Alle ent­deck­ten Feh­ler soll­ten auch doku­men­tiert werden
  • Rele­van­te und nicht-rele­van­te Feh­ler: Feh­ler kön­nen für den jewei­li­gen Anwen­dungs­zweck rele­vant oder nicht-rele­vant sein. In der Regel sind Feh­ler mit der gerings­ten Feh­ler­schwe­re nicht rele­vant, müs­sen also nicht unbe­dingt beho­ben werden
  • Beho­be­ne und nicht-beho­be­ne Feh­ler: Nicht alle Feh­ler wer­den beho­ben, auch dann nicht, wenn sie ent­deckt wor­den sind — dies sind dann irrele­van­te / nicht-rele­van­te Feh­ler. Feh­ler, die noch beho­ben wer­den müs­sen, sind auch nicht-beho­be­ne Feh­ler. Wenn Feh­ler nicht-ent­deckt wor­den sind, kön­nen sie auch nicht beho­ben wor­den sein

In Abbil­dung 4.1 sind eini­ge Unter­tei­lun­gen von Anfor­de­run­gen dargestellt.

 Weitere Unterteilungen von Fehlern, (C) Peterjohann Consulting, 2023-2025

Abbil­dung 4.1: Wei­te­re Unter­tei­lun­gen von Fehlern

5. Häufig gestellte Fragen und Antworten (FAQ) zur Klassifikation von Fehlern

Eini­ge Fra­gen zur Klas­si­fi­ka­ti­on von Feh­lern wer­den häu­fig gestellt – die­se wer­den hier wie­der­ge­ge­ben und beantwortet.

  • F: Müs­sen Klas­si­fi­ka­tio­nen von Feh­lern immer vor­ge­nom­men wer­den?
    A: Nein, da “auto­ma­tisch” die Feh­ler­schwe­re als Stan­dard­klas­si­fi­ka­ti­on genutzt wer­den kann.
  • F: War­um sind Klas­si­fi­ka­tio­nen von Feh­lern wichtig?
  • A: Über die Klas­si­fi­ka­ti­on von Feh­lern kön­nen die (poten­zi­el­len) Kos­ten der Feh­ler­be­he­bung bestimmt wer­den — und das ist ein zen­tra­les Kri­te­ri­um beim → Qua­li­täts­ma­nage­ment.
  • F: Wie erstellt man eine pas­sen­de Klas­si­fi­ka­ti­on von Feh­lern?
    A: Hier­zu gibt es kei­ne ein­deu­ti­ge Vor­ge­hens­wei­se, sodass in der Regel die Test­ma­na­ger eine Klas­si­fi­ka­ti­on bei der Erstel­lung des Test­kon­zepts vorgeben.

Haben Sie noch wei­te­re Fra­gen oder möch­ten Sie Ergän­zun­gen an der FAQ vor­neh­men? Am bes­ten schrei­ben Sie mir hier­zu eine E‑Mail an: kontakt@peterjohann-consulting.de.

A. Präsentationen, Literatur und Weblinks

A.1 Meine öffentliche Präsentation zur Klassifikation von Fehlern

  • -

A.2 Literatur

  • /Pfeifer21/ Tilo Pfei­fer, Robert Schmitt: Masing Hand­buch Qua­li­täts­ma­nage­ment, Han­ser, Mün­chen 7. Auf­la­ge 2021, ISBN 978–3‑446–46230‑4
  • /Spillner19/ Andre­as Spill­ner, Tilo Linz: Basis­wis­sen → Soft­ware­test: Aus- und Wei­ter­bil­dung zum Cer­ti­fied Tes­ter – Foun­da­ti­on Level nach ISTQB-→ Stan­dard, dpunkt, Hei­del­berg 6. Auf­la­ge 2019, ISBN 978–3‑86490–583‑4
  • /Spillner24/ Andre­as Spill­ner, Tilo Linz: Basis­wis­sen Soft­ware­test. Aus- und Wei­ter­bil­dung zum Cer­ti­fied Tes­ter – Foun­da­ti­on Level nach IST­QB-Stan­dard, dpunkt, Hei­del­berg 7. Auf­la­ge 2024, ISBN 978–3‑98889–005‑4

Legen­de zu den Weblinks
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