Management-Zusammenfassung dieses Beitrags:
Der Start eines Requirements-Projekts (genauer: Requirements-Engineering-Projekts) sollte in einem geordneten Prozess erfolgen, noch bevor die eigentliche Ermittlung beginnt.
In diesem Beitrag wird ein neunstufiges Vorgehen zum Start eines Requirements-Projekts vorgestellt.
Um mit einem Requirements-Projekt (hier auch RE-Projekt genannt) zu starten, sollte vorab geklärt sein, ob …
- genügend Ressourcen und Finanzmittel zur Durchführung vorhanden sind.
- die → Ziele des Projekts allen Beteiligten klar sind.
Der Start eines RE-Projekts findet vor den “klassischen” drei Schritten des Requirements Engineerings statt.
Abbildung 0.1: Einordnung des Starts eines RE-Projekts
Dann sind im Einzelnen vor dem Start der eigentlichen → Anforderungsermittlung folgende Schritte durchzuführen:
- Bestimmen der → Vision und des Ziels des RE-Vorhabens
- Ermitteln des Systems und des Systemkontexts
- Bestimmen der → Stakeholder
- Bestimmen von → Personas und Szenarios
- Anlegen / Ausbauen eines Glossars
- Aufbauen eines übergeordneten → Use Cases
- Einsetzen des → Kano-Modells
- Zusammenstellen / Berechnen der “passenden” → Ermittlungstechniken
- Beginn des Ermittelns der Anforderungen
Hinweis:
Der systematische Start eines RE-Projekts ist in der Literatur nicht eindeutig beschrieben. Das hier beschriebene Vorgehen stammt daher von mir und basiert auf meinem Know-how und meinen Erfahrungen.
Wo kann ich Sie unterstützen?
Beim Start eines RE-Projekts werden häufig → Fehler gemacht, deren Auswirkungen sich erst im weiteren Verlaufs des Projekts zeigen und dann nur schwer zu korrigieren sind. Daher biete ich zum Start eines Requirements-Projekts meine → Dienstleistungen und Workshops an, um die Fehlerfallen zu erkennen und die Fehler zu minimieren.
1. Bestimmen der Vision und des Ziels des RE-Vorhabens
Das Ziel des RE-Vorhabens sollte unbedingt zu Beginn aller RE-Aktivitäten geklärt werden. Hierzu bietet es sich an, → Mission und Vision des Unternehmens zusammen mit den Visionen und Zielen des RE-Vorhabens zu betrachten.
Der Unterschied von Mission, Vision und Ziel ist in Abbildung 1.1 wiedergegeben.
Abbildung 1.1: Einordnung von Vision und Zielen bei einem RE-Projekt
Weitere Informationen zur Ermittlung der → Produktvision Sie hier auf der Webseite → Produktvision.
2. Ermitteln des Systems und des Systemkontexts
Es ist sehr wichtig, das System und den → Systemkontext abzugrenzen, um zu erfassen, was “dazugehört und was nicht”. Nur was zum System und Systemkontext gehört muss in einem RE-Projekt berücksichtigt werden, alles andere nicht. Das System und der Systemkontext kann gut über ein Systemkontext-Diagramm visualisiert werden, welches in Abbildung 2.1 dargestellt ist.
Abbildung 2.1: System und Systemkontext
Weitere Informationen zum Ermitteln des Systems und des Systemkontexts finden Sie hier auf der Webseite → System und Systemkontext.
3. Bestimmen der Stakeholder
Die Stakeholder sind diejenigen, die das entstehende Produkt nutzen sollen oder bei der Erstellung des Produkts beteiligt sind. In Projekten und auch in Requirements-→ Vorhaben werden häufig Stakeholder erfasst und beschrieben.
Abbildung 3.1: Stakeholder: Ziele, Betroffenheit, Macht
In Abbildung 3.2 sind einige typische Stakeholder dargestellt. Die Doppelpfeile in der Abbildung stehen für zentrale Ansprüche, die diese Stakeholder an ein (RE-)-Projekt haben.
Abbildung 3.2: Stakeholderidentifikation und Gliederung
Das Identifizieren von Stakeholdern ist eine zentrale Aufgabe beim Start eines RE-Projekts.
Weitere Informationen zur Ermittlung und Behandlung von Stakeholdern finden Sie hier auf der Webseite → Stakeholdermanagement in Projekten.
4. Bestimmen von Personas und Szenarios
Personas sind (fiktive) Nutzer, die ganze Nutzergruppen repräsentieren. Anhand von Personas können Anwendungsszenarien (auch kurz: Szenarios) aufgebaut werden, die dann Hinweise auf die (wichtigsten) Anwendungsfälle geben.
Um von den Stakeholdern zu Personas zu gelangen, können die erfassten Stakeholder auf die Nutzer des zu erstellenden Produkts (oder der Dienstleistung) eingeschränkt werden: Es entstehen so die Nutzergruppen, die dann häufig auch geclustert werden.
Abbildung 4.1: Von den Stakeholdern zu den Personas
Aus den Nutzergruppen werden die relevantesten herausgenommen und für diese die Personas erstellt.
Es können bei Personas eine Reihe von Eigenschaften oder Merkmalen erfasst werden – hierzu gehören (Abbildung 4.2):
- Name
- Alter
- Motto oder Zitat
- Beruf
- Einkommen
- Wohnort
- Wohnsituation
- Hobbys
- Bezug zum Produkt
- …
Abbildung 4.2: Personas-Attribute über ein Mindmap
Weitere Informationen zum Bestimmen von Personas finden Sie hier auf der Webseite → Personas.
5. Anlegen / Ausbauen eines Glossars
In dem → Fachglossar zu einem RE-Projekt werden Begriffe aufgeführt, die in dem spezifischen Kontext wichtig sind.
Abbildung 5.1: Aufbau eines Glossars (schematisch)
Weitere Informationen zum Erstellen und Verwenden von Glossaren finden Sie hier auf der Webseite → Das Glossar.
6. Aufbauen eines übergeordneten Use Cases
Der erste → Use Case zeigt den übergeordneten Rahmen für das RE-Vorhaben auf. Abbildung 6.1 einen einfachen Use Case.
Abbildung 6.1: Ein einfaches Beispiel eines Use-Case-Modells
Weitere Informationen zum Aufbauen eines Use Cases finden Sie hier auf der Webseite → Use Cases.
7. Einsetzen des Kano-Modells
Über das → Kano-Modell können die sogenannten Basis‑, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren beschrieben werden. Hierüber ist es möglich, mit Hilfe der Ziele oder Unterziele zu visualisieren, ob das RE-Vorhaben “genügend herausfordernd” ist — und damit einen Beitrag zur Wertschöpfung liefern kann.
Abbildung 7.1: Das → Kano-Diagramm: Darstellung
Zudem zeigt der Einsatz des Kano-Diagramms auf, welche Arten von Ermittlungstechniken zum Einsatz kommen sollten.
Weitere Informationen zum Kano-Modell finden Sie hier auf der Webseite → Das Kano-Modell.
8. Zusammenstellen der “passenden” Ermittlungstechniken
Aus dem Kano-Modell und den generell verfügbaren Ressourcen ergibt sich, welche Ermittlungstechniken zum Einsatz kommen können und sollten. Dabei werden aus der Vielzahl der Techniken die passenden zusammengestellt. → Interviews und → Brainstorming kommen in der Regel immer zum Einsatz, bei anderen Techniken muss genau betrachtet werden, welchen Nutzen sie im RE-Projekt zu welchen Kosten bringen.
Abbildung 8.1: Die Ermittlungstechniken (nach → IREB /IREB21/)
Weitere Informationen zum Zusammenstellen der “passenden” Ermittlungstechniken finden Sie hier auf der Webseite → Ermittlungstechniken für das Requirements Engineering.
9. Beginnen des Ermittelns der Anforderungen
Sind alle Vorarbeiten erledigt, kann mit der eigentlichen Ermittlung begonnen werden. Hierbei sollte unbedingt frühzeitig eine Aufwandsabschätzung erfolgen: Es müssen die → Aufwände für die Beteiligten geklärt werden.
Weitere Informationen zum Beginn des Ermittelns von Anforderungen (in einem RE-Projekt) finden Sie hier auf der Webseite → Das Ermitteln von Anforderungen.
10. Häufig gestellte Fragen und Antworten (FAQ) zum Start eines Requirements-Engineering-Projekts
Einige Fragen zu dem RE-Start werden häufig gestellt – diese werden hier wiedergegeben.
- F: Müssen vor Beginn der Ermittlungstätigkeiten alle Schritte des RE-Starts durchlaufen werden?
A: Ja. Dies ist sinnvoll. Leider wird dies häufig vergessen, was sich dann später bemerkbar machen kann. - F: Welche Dokumente / Artefakte / Ergebnisse des RE-Starts kann man im späteren RE-Verlauf wieder- oder weiterverwenden?
A: Alle. Alle Artefakte, die beim RE-Start erstellt werden, können im RE-Projekt weiterverwendet werden. Allerdings muss beachtet werden, dass das Up-to-date-Halten der einzelnen Artefakte → Aufwand verursacht — entsprechend muss der Nutzen der Artefakte früh geklärt werden.
Haben Sie noch weitere Fragen oder möchten Sie Ergänzungen an der FAQ vornehmen? Am besten schreiben Sie mir hierzu eine E‑Mail an: kontakt@peterjohann-consulting.de.
A. Präsentationen, Literatur und Weblinks
Der “Start eines Requirements-Projekts” wird in meiner Präsentation zum → Requirements Engineering beschrieben. Zudem gibt es ein DIN-A3-→ Poster, welches die hier vorgestellten Schritte zusammenfasst.
In folgenden Büchern werden als Teilaspekt “Start eines Requirements-Projekts” erläutert:
- /BBG15/ → IIBA: A Guide to the → Business Analysis Body of Knowledge (BABOK Guide), International Institute of Business Analysis, Marietta, Georgia 3rd Edition 2015, ISBN 978–1‑927584–02‑6
- /BBG17‑d/ IIBA: BABOK v3: Leitfaden zur Business-Analyse BABOK Guide 3.0, Dr. Götz Schmidt, Wettenberg 2017, ISBN 978–3‑945997–03‑1
- /Hruschka19/ Peter Hruschka: → Business Analysis und Requirements Engineering: Prozesse und Produkte nachhaltig verbessern, Hanser, München 2. Auflage 2019, ISBN 978–3‑446–45589‑4
- /IREB21/ siehe /Pohl21/
- /PMG-BA17/ Project Management Institute: The → PMI Guide to Business Analysis, Project Management Institute, Philadelphia, Pennsylvania 2017, ISBN 978–1‑62825–198‑2
- /Pohl21/ auch /IREB21/ Klaus Pohl, Chris Rupp: Basiswissen Requirements Engineering: Aus- und Weiterbildung nach IREB-→ Standard zum Certified Professional for Requirements Engineering Foundation Level, dpunkt, Heidelberg 5. Auflage 2021, ISBN 978–3‑86490–814‑9
- /Rupp20/ Chris Rupp: Requirements-Engineering und ‑Management. Das Handbuch für Anforderungen in jeder Situation, Hanser, München 7. Auflage 2020, ISBN 978–3‑446–45587‑0
Auf folgende Weblinks zum “Start eines Requirements-Projekts” wird hier Bezug genommen:
- /IREB/ IREB – International Requirements Engineering Board: Website (deutsche Fassung)
Legende zu den Weblinks
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Letzte Aktualisierung: 04.05.2021 © Peterjohann Consulting, 2005–2024