Management-Zusammenfassung dieses Beitrags:
Das Validieren (engl. Validating) von Anforderungen ist eine der Haupttätigkeiten im → Requirements Engineering und dient der Sicherstellung der → Qualität.
In diesem Beitrag wird das Validieren mit seinen Prozessen, Werkzeugen und Methoden beschrieben.
In diesem Beitrag wird das Requirements Engineering in die Bereiche Anforderungsentwicklung (Requirements Development) und → Anforderungsverwaltung (→ Requirements Management) unterteilt, wobei diese wiederum in die vier Haupttätigkeiten (auch Hauptaktivitäten) …
- Ermitteln (Eliciting),
- Dokumentieren (Documenting),
- Validieren (Validating) und
- Verwalten (Managing)
untergliedert werden können (Abbildung 0.1). Im Fokus dieses Beitrags steht das Validieren von Anforderungen.
Abbildung 0.1: Die Unterteilung des Requirements Engineerings — Fokus “Validieren”
Die Prozesssicht auf das Validieren von Anforderungen ist in Abbildung 0.2 dargestellt. Das Validieren ist demgemäß die letzte der drei Tätigkeiten bei der Anforderungsentwicklung.
Abbildung 0.2: Prozesse im Requirements Engineerings nach → IREB — Fokus “Validieren”
1. Einleitung und Grundlagen
Generell geht es beim Validieren darum, zu überprüfen, ob einzelne Anforderungen “gut genug” sind, um für weitere Entwicklungen freigegeben werden zu können. Das “gut genug” muss über Qualitätskriterien mit entsprechenden → Checklisten festgelegt werden.
1.1 Definitionen
Nach IREB wird die Validierung folgendermaßen charakterisiert /IREB21/:
“Validierung ist der Prozess zur Bestätigung, dass ein Element (ein System, ein Arbeitsprodukt oder ein Teil davon) den Bedürfnissen und Wünschen seiner → Stakeholder entspricht.”
Das IREB definiert das Validieren von Anforderungen im → Fachglossar /#IREB-→ Glossar-24/:
“Validierung — Validation: The process of confirming that an item (a system, a work product or a part thereof) matches its stakeholders’ needs. Note: In RE, validation is the process of confirming that the documented requirements match their stakeholders’ needs; in other words: whether the right requirements have been specified.”
Bei dem → IIBA wird ausgeführt /BBG17‑d/:
“Validierung (validation): Prozess der Überprüfung, ob ein Ergebnis für die beabsichtigte Verwendung geeignet ist.”
1.2 Die beiden Komponenten des Validierens: Prüfen und Abstimmen
Das Validieren von Anforderungen kann in die beiden Bereiche “→ Prüfen” und “Abstimmen” unterteilt werden (Abbildung 1.1).
Abbildung 1.1: Das Validieren: Unterteilung in Prüfen und Abstimmen
Beim Prüfen geht es darum, die Anforderungen (möglichst) konsistent und korrekt zu beschreiben. Das Abstimmen hat das Ziel, ein gemeinsames Verständnis aller Stakeholder herbeizuführen.
1.3 Aspekte des Validierens
Das IREB benennt vier Aspekte der Anforderungsvalidierung (Abbildung 1.2). Diese sollten bei der Planung und Durchführung der Validierung beachtet werden:
- Beteiligung der richtigen Stakeholder
- Trennung von Fehlersuche und Fehlerkorrektur
- Validierung aus unterschiedlichen Sichten
- Wiederholte Validierung
Abbildung 1.2: Die vier Aspekte der Anforderungsvalidierung (nach IREB /IREB21/)
1.4 Qualitätsaspekte des Validierens
Beim Validieren stehen zudem drei Qualitätsaspekte im Vordergrund:
- Inhalt
- Dokumentation
- Abgestimmtheit
Für die drei Qualitätsaspekte gibt es jeweils eigene Prüfkriterien, die wie eine Art Checkliste abgearbeitet werden können (Abbildung 1.3).
Abbildung 1.3: Die drei Qualitätsaspekte von Anforderungen (nach IREB /IREB21/)
1.5 Der Zeitpunkt der Validierung
Wichtig sind der Validierungsgegenstand und der Validierungszeitpunkt:
Es werden in der Regel abgeschlossene Anforderungen oder (konsistente) Anforderungsbündel / ‑spezifikation überprüft. Dazu muss zum Validierungszeitpunkt eine “→ Baseline” gezogen werden. Bei Verwendung von Requirements-Management-Tools kommt hier entsprechend das → Konfigurationsmanagement zum Einsatz.
2. Techniken zur Validierung
In Abbildung 2.1 sind Techniken zur Validierung von Anforderungen dargestellt. Generell wird laut IREB /IREB21/ zwischen
- → Review-Techniken
- Exploration
- Probe-Entwicklung
unterschieden.
Abbildung 2.1: Die Techniken zur Validierung von Anforderungen (modifiziert nach IREB /IREB21/)
Im Requirements Engineering werden neben den in Abbildung 2.1 dargestellen Validierungstechniken weitere eingesetzt — dies sind:
- Perspektivenbasiertes Lesen
- Einsatz von Checklisten
- Reverse Presentation /Rupp20/
- Metriken /Rupp20/
Eine Zuordnung, welche Validierungstechnik unter welchen Randbedingungen eingesetzt werden kann, findet sich beispielsweise bei Rupp /Rupp20/ (Abbildung 2.2). Es werden dabei die Validierungstechniken den Randbedingungen gegenübergestellt und bewertet.
Als Randbedingungen werden genannt:
- Geringe → Motivation der Prüfenden
- Schlechte zeitliche Verfügbarkeit der Prüfenden
- Geringes Abstraktionsvermögen der Prüfenden
- Hohe Anzahl der Prüfenden
- Hohe → Komplexität der Anforderungen
- Hohe Kritikalität der Anforderungen
- Geringes Budget
Diese → Liste der Randbedingungen kann noch ergänzt werden.
Abbildung 2.2: Die Validierungstechnik und die Einflussfaktoren (nach /Rupp20/)
3. Wer sollte was validieren?
Eine Zuordnung, welche Stakeholder / Rollen / Personen was validieren sollten, findet sich beispielsweise bei Rupp /Rupp14/ (Abbildung 3.1).
Als Stakeholder / Rollen können alle möglichen Stakeholder erfasst werden, die an der Validierung teilnehmen könnten. Dies sind beispielsweise:
- Anwender
- Fachlich Verantwortliche
- Analytiker
- → Projektmanager
- Entwickler
- → Product Owner (im agilen / im → Scrum-Kontext)
- Scrum Developer
- Tester
- …
Die Anzahl der Stakeholder / Rollen ist in der Praxis nicht größer als 15.
Abbildung 3.1: Die validierenden Stakeholder und die Validierungskriterien (nach /Rupp14/)
Als Kriterien können betrachtet werden:
- Fachliche → Richtigkeit
- Auftrag des Projekts / Notwendigkeit / rechtliche → Verbindlichkeit
- Vollständigkeit
- Verständlichkeit, gute Struktur
- Eindeutigkeit, Widerspruchsfreiheit und Konsistenz
- → Traceability / → Nachvollziehbarkeit
- Realisierbarkeit
- Testbarkeit
- Kritikalität
4. Häufig gestellte Fragen und Antworten (FAQ) zum Validieren von Anforderungen
Einige Fragen zum Validieren von Anforderungen werden häufig gestellt – diese werden hier wiedergegeben und beantwortet.
- F: Muss der → Requirements Engineer eine spezifische Ausbildung für das Validieren haben?
A: Ja und nein. Das Validieren von Anforderungen dient der Qualitätserhöhung und ‑sicherung. Daher sollte der Requirements Engineer ein Qualitätsbewusstsein und eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung mitbringen. - F: Wie groß ist typischerweise der → Aufwand zum Validieren von Anforderungen in einem → Vorhaben?
A: Da man auf das Validieren von Anforderungen “verzichten kann” (indem man es nicht durchführt), ist in diesem Fall kein Aufwand vorhanden. Allerdings entstehen dann im Nachhinein Kosten, die von irgendwem getragen werden müssen. Daher würde ich als “grobe Richtschnur” etwa 10 bis 20 % des Gesamtaufwands für ein RE-Vorhaben für das Validieren einkalkulieren, um so → qualitativ gute Anforderungen zu erhalten.
Haben Sie noch weitere Fragen oder möchten Sie Ergänzungen an der FAQ vornehmen? Am besten schreiben Sie mir hierzu eine E‑Mail an: kontakt@peterjohann-consulting.de.
A. Präsentationen, Literatur und Weblinks
A.1 Meine öffentliche Präsentation zum Validieren von Anforderungen
Das Validieren von Anforderungen wird in der Präsentation zum Requirements Engineering beschrieben.
Inhalt | Typ |
---|---|
Requirements Engineering (und Business Analysis) – Eine Einführung (RE-Basispräsentation) |
A.2 Literatur
- /BBG15/ IIBA: A Guide to the → Business Analysis Body of Knowledge (BABOK Guide), International Institute of Business Analysis, Marietta, Georgia 3rd Edition 2015, ISBN 978–1‑927584–02‑6
- /BBG17‑d/ IIBA: BABOK v3: Leitfaden zur Business-Analyse BABOK Guide 3.0, Dr. Götz Schmidt, Wettenberg 2017, ISBN 978–3‑945997–03‑1
- /Ebert19/ Christof Ebert: Systematisches Requirements Engineering. Anforderungen ermitteln, dokumentieren, analysieren und verwalten, dpunkt, Heidelberg 6. Auflage 2019, ISBN 978–3‑86490–562‑9
- /Ebert22/ Christof Ebert: Systematisches Requirements Engineering. Anforderungen ermitteln, dokumentieren, analysieren und verwalten, dpunkt, Heidelberg 7. Auflage 2022, ISBN 978–3‑86490–919‑1
- /Hruschka19/ Peter Hruschka: → Business Analysis und Requirements Engineering: Prozesse und Produkte nachhaltig verbessern, Hanser, München 2. Auflage 2019, ISBN 978–3‑446–45589‑4
- /Naumann18/ Axel-Bruno Naumann: Business-Analyse – Systematisches → Anforderungsmanagement für nutzerorientierte Lösungen, Dr. Götz Schmidt, Wettenberg 2018, ISBN 978–3‑945997–11‑6
- /IREB21/ siehe /Pohl21/
- /PMG-BA17/ Project Management Institute: The → PMI Guide to Business Analysis, Project Management Institute, Philadelphia, Pennsylvania 2017, ISBN 978–1‑62825–198‑2
- /Pohl21/ auch /IREB21/ Klaus Pohl, Chris Rupp: Basiswissen Requirements Engineering: Aus- und Weiterbildung nach IREB-→ Standard zum Certified Professional for Requirements Engineering Foundation Level, dpunkt, Heidelberg 5. Auflage 2021, ISBN 978–3‑86490–814‑9
- /Robertson12/ Suzanne Robertson, James Robertson: Mastering the Requirements Process, Addison-Wesley Professional, Boston, Massachusetts 3rd Edition 2012, ISBN 978–0‑321–81574‑3
- /Rupp14/ Chris Rupp: Requirements-Engineering und ‑Management. Aus der Praxis von klassisch bis agil, Hanser, München 6. Auflage 2014, ISBN 978–3‑446–43893‑4
- /Rupp20/ Chris Rupp: Requirements-Engineering und ‑Management. Das Handbuch für Anforderungen in jeder Situation, Hanser, München 7. Auflage 2020, ISBN 978–3‑446–45587‑0
- /Wiegers13/ Karl E. Wiegers, Joy Beatty: Software Requirements, Microsoft Press, Redmond, Washington 3rd Edition 2013, ISBN 978–0‑7356–7966‑5
A.3 Weblinks
- /IREB/ IREB – International Requirements Engineering Board: Website (deutsche Fassung)
- /#IREB-Glossar-24/ IREB – International Requirements Engineering Board: Glossar des IREB, Version 2.1.1 vom April 2024 (deutsch, englisch, pdf-Datei, 65 Seiten)
Legende zu den Weblinks
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Letzte Aktualisierung: 02.04.2022 © Peterjohann Consulting, 2005–2024